Kräfte


eine kurze historische Einleitung


Aristoteles unterteilte die Bewegungen in zwei Klassen: natürliche und erzwungene Bewegungen.
Jede Bewegung, die einen Körper zu seinem ihm zustehenden Ort bringt, ist eine natürliche Bewegung und erfolgt von selbst. Demnach strebt Leichtes (Feuer und Luft) nach oben und Schweres (Wasser und Erde) nach unten. Die natürliche Bewegung erfolgt aus sich heraus, ist also eine Eigenschaft des Körpers.
Im Gegensatz dazu erfordert eine erzwungene Bewegung einen äußeren Beweger, der die Bewegung von ihrer natürlichen Richtung ablenkt oder stoppt. Dieser äußere Beweger wird als ständig wirkende Kraft definiert, ohne die jede Bewegung irgendwann aufhört.
Interessanterweise entspricht dieser Zusammenhang von Kraft und Bewegung auch heute noch vielen Schülervorstellungen:

$\dot \;$ ein Körper bewegt sich nur bei ständiger Krafteinwirkung
$\dot \;$ je größer die Kraft, desto größer die Geschwindigkeit
$\dot \;$ Kraft bedeutet Bewegung- oder Wirkungsvermögen
$\dot \;$ Ruhe und Bewegung sind wesensmäßig zu unterscheidende Zustände

Diese Erklärung von Bewegung wurde auch im europäischen Mittelalter noch genutzt. Bei der Erklärung der Wurfbewegung jedoch geriet man in Erklärungsnöte. Wenn jede Bewegung einen Beweger benötigte, warum bewegt sich ein einmal geworfener Stein so, wie man das beobachtete?

Zur Beantwortung dieser Frage sollte die sogenannte Impetus-Theorie führen, die im 13. und 14. Jahrhundert bedeutsam wurde. Aus ihr entstammen fünf wesentliche Aussagen:

$\dot \;$ ein Körper bewegt sich aufgrund einer ihm eingeprägten Kraft, dem Impetus
$\dot \;$ diese Kraft wurde auf den Körper beim In-Bewegung-setzen von einem ersten Beweger übertragen oder von einem anderen bewegten Körper durch Kontakt (Stoß) übermittelt
$\dot \;$ ein Körper kann umso mehr Impetus aufnehmen, je schwerer er ist
$\dot \;$ die Bewegungsstärke (Wucht) ist dem Impetus proportional
$\dot \;$ der im Körper befindliche Impetus erschlafft mit der Zeit, entweder von allein oder durch den Widerstand des Mediums

Der große Fortschritt der Impetustheorie bestand in dem Wegfall des äußeren Bewegers. Durch den Übergang der Kraft auf den sich bewegenden Körper war es möglich, das Medium als Widerstand gegen eine Bewegung zu betrachten. Allerdings war die Kraft auch in dieser Theorie immer noch die Ursache der Bewegung selbst.
In der Abbildung ist die Flugbahn einer Kanonenkugel nach der Impetus-Theorie zu sehen. Sie stand im Widerspruch zur Beobachtung, konnte aber nicht erklärt werden. Die Ursache für diese Flugbahn war die Eigenschaft des Impetus, verbraucht werden zu können. Ist der Impetus verbraucht, bewegt sich der Körper, hier die Kanonenkugel, in Richtung seines ihm zustehenden Ortes.

Wir müssen schließen, dass ein Beweger, wenn er einen Körper bewegt, diesem einen bestimmten Impetus aufdrückt, eine bestimmte Kraft, die diesen Körper in der Richtung weiterzubewegen vermag, die ihm der Beweger gegeben hat, sei es nach oben, nach unten, seitwärts oder im Kreis. Der mitgeteilte Impetus ist in dem gleichen Maße kraftvoller, je größer der Aufwand an Kraft ist, mit dem der Beweger dem Körper Geschwindigkeit verleiht. Durch diesen Impetus wird der Stein weiterbewegt, nachdem der Werfer aufgehört hat, ihn zu bewegen. Aber wegen des Widerstandes der Luft und auch der Schwerkraft des Steins, die ihn ständig in eine dem Streben des Impetus entgegengesetzte Richtung zwingen möchte, wird der Impetus immer schwächer. Darum muss die Bewegung des Steins allmählich immer langsamer werden. Schließlich ist der Impetus so weit geschwächt oder vernichtet, dass die Schwerkraft des Steins überwiegt und den Stein abwärts zu seinem natürlichen Ort bewegt.
Johannes Buridan (1295 - 1366)


Durch Galileo Galilei (1564 - 1642) und insbesondere Isaac Newton (1643 - 1727) konnte der wesentliche Schritt zum heutigen Verständnis gemacht werden. Sie abstrahierten ihre Überlegungen von den tatsächlich beobachtbaren Phänomenen, indem sie nur das für die direkte Beschreibung notwendige beachteten.
Dadurch kam es zu Ergebnissen, die nicht mehr unmittelbar verstanden werden konnten und die scheinbar im Widerspruch zu der Alltagswelt standen.



Newtons Axiome


Seit Newton weiß man, dass der Naturzustand eines Körpers die gleichförmige Bewegung ist. Das ist die wesentliche Aussage aus dem ersten Newtonschen Axiom:

   Lex prima (Trägheitsgesetz)

„Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Translation, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.“

Eine direkte Folge des ersten Axioms ist das zweite Axiom, wonach die einwirkende Kraft proportional zur Änderung der Bewegung ist:

  Lex secunda (Aktionsgesetz)

„Die Änderung der Bewegung einer Masse ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt.“

Kurz: $$F = m \cdot a$$


Das dritte Axiom befasst sich damit, dass jede Kraft automatisch auch eine Gegenkraft bedingt. Die bekannte Formulierung, actio = reactio, ist insofern irreführend, da sie eine zunächst wirkende Kraft voraussetzt, auf die dann durch eine Gegenkraft reagiert wird. In Wirklichkeit ist es jedoch eine gleichzeitig wirkende Kraft.
Die Klassifizierung "actio" heißt vielmehr, dass diese Kraft die in der Anwendung interessierende Kraft darstellt, wohingegen die "reactio", also die Gegenkraft, im Grunde nicht interessiert bzw. sich auch nicht auswirkt. Beispielsweise gibt es als "actio" die Gravitationskraft, d.h. ein Apfel wird von der Erde angezogen und in Richtung Erdmittelpunkt beschleunigt. Diese Kraft hat Auswirkungen, im wesentlichen auf den Apfel, der runterfällt. Die "reactio" in diesem Beispiel wäre die anziehende Kraft des Apfels auf die Erde. Diese wird nämlich auch in Richtung des Apfelmittelpunkts beschleunigt, was sich aufgrund der großen Masse der Erde und deren Trägheit (1.Axiom) aber nicht bemerkbar macht.

  Lex tertia (Wechselwirkungsgesetz)

„Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus (actio), so wirkt eine gleich große, aber entgegen gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A (reactio). “



Kraft als Bewegungsänderung - Beispiele


In diesem Abschnitt wird immer die oben genannte Formel $F = m \cdot a$ genutzt. Dabei geht es um die Beziehung von Kraft und Beschleunigung, d.h. Veränderung von Geschwindigkeit. Die Grundlagen zu den Bewegungen, in denen die Begriffe Geschwindigkeit und Beschleunigung kurz erläutert werden, findet man bei dem Thema Bewegungen.


Beispiel 1

Ein Auto mit der Masse $m = 1200 \text{ kg}$ beschleunigt von 0 auf 100 km/h in $t = 8 \text{ s}$. Bestimmt werden soll die Beschleunigungskraft des Motors. Zunächst sei die Reibung zu vernachlässigen.

Ansatz:
Am Ende soll die Kraft berechnet werden, also $F = m \cdot a$. Die Masse ist bekannt, die Beschleunigung nicht. Aber es gilt: $a = \frac{\Delta v}{\Delta t}$.

Somit muss nur noch $\Delta v$ bestimmt werden: \begin{align} \Delta v &= 100 - 0 \; \frac{\text{km}}{\text{h}} \\ \Delta v &= \frac{100}{3,6} \; \frac{\text{m}}{\text{s}} \\ \Delta v &= 27,78 \; \frac{\text{m}}{\text{s}} \end{align} Es folgt insgesamt: \begin{align} F &= m \cdot a \\ F &= m \cdot \frac{\Delta v}{\Delta t} \\ F &= 1200 \text{ kg} \cdot \frac{28,78 \; \frac{\text{m}}{\text{s}}}{8 \text{ s}} \\ F &= 4167 \text{ N} \\ \\ F &\approx 4,17 \text{ kN} \end{align} Das Auto wird also mit 4,17 kN angetrieben.


Beispiel 2

Das gleiche Szenario mit dem Zusatz, dass nun die Reibung berücksichtigt wird. Dafür wird angenommen, dass die Reifen des Autos auf trockenem Asphalt rollen.

Da die Beschleunigung tatsächlich vorliegt, wird bei diesem Wert, also $\frac{27,78 \text{ m}}{8 \text{ s}^2}$, die Reibung schon berücksichtigt. Das heißt, das die tatsächliche Antriebskraft des Motors um den Betrag der Reibkraft größer sein muss.
Fehlt also die Reibkraft, die die Bewegung behindert. Es gilt für die Reibkraft: \begin{align} F_R &= F_N \cdot f_{RR} \\ F_R &= F_G \cdot f_{RR} \\ F_R &= m \cdot g \cdot f_{RR} \end{align} mit dem Rollreibkoeffizienten $f_{RR}$.
Aus der Literatur folgt $f_{RR} = 0,013$ für die Kombination Autoreifen auf Asphalt. Damit erhält man: \begin{align} F_R &= m \cdot g \cdot f_{RR} \\ F_R &= 1200 \text{ kg} \cdot 9,81 \; \frac{\text{m}}{\text{s}^2} \cdot 0,013 \\ F_R &= 153 \text{ N} \end{align} Also treibt der Motor das Auto mit einer Kraft von 4,17 + 0,15 = 4,32 kN an.


Beispiel 3